Letztes Wochenende, am 5. und 6. Juli, hat Arte an einem pinken Wochenende mit Dokumentationen, Kurzfilmen und Reportagen einerseits homosexuelle Einflüsse auf unsere Gesellschaft und andererseits Homophobie thematisiert. Dabei wurden sowohl homosexuelle Schauspieler sowie Einflüsse auf die Musik und Mode, als auch die Entwicklung der Christopher Street Day Paraden und Demonstrationen behandelt und Veränderungen der Geschlechterrollen innerhalb unserer Gesellschaft untersucht. Als ich gerade ungezielt durch das Programm zappte, geriet ich zufällig mitten in den neuen Film „Somewhere Over The Rainbow. Die schwule Bewegung und ihre Hymnen“ von Birgit Herdlitschke, der zu diesem pinken Wochenendprogramm gehörte. Die Regisseurin ließ sich für Ihren Film von einigen bekannten Größen wie Romy Haag, Hape Kerkeling, Siegessäule-Chefredakteur Jan Noll und dem Modeschöpfer Michael Michalski erklären, wie und durch welche Songs die homosexuelle Emanzipation geprägt worden ist. Ich war natürlich wie gebannt und sehr angetan von den vielen bekannten Berliner Gesichtern, aber wie haben andere Zuschauer dieses Programm erlebt? Wie war die Resonanz?
Generell ist es teilweise erschreckend und belustigend zugleich, wenn man nicht nur irgendeinen Onlinebeitrag liest oder sich, wie im vorliegenden Beispiel, eine Homepage eines Fernsehprogramms ansieht, sondern auch die dazugehörigen Kommentare studiert. Die Möglichkeit zumeist anonym seine Meinung äußern zu können, scheint für viele Nutzer wie ein vorbehaltloses Ventil zu funktionieren: Einige Meinungen sind teilweise sehr radikal und sind auf Grund ihrer Intoleranz und eingeschränkten Sichtweise komisch, beängstigend, unterstreichen aber den Eindruck einer vorherrschenden Homophobie. Wenn tatsächlich viele so denken würden, wäre man viel weiter von einer Gleichberechtigung von Homosexualität entfernt, als ich selbst vermuten würde. Im Grunde scheinen sich die Verfasser solcher Kommentare durch das Thematisieren von Homosexualität in solchen Sendeformaten persönlich angegriffen zu fühlen. Auf der anderen Seite wäre es genauso undifferenziert, alle Schwulen als gute und brave Bürger darzustellen. In wie weit aber solche Kommentare ernst genommen werden müssen und über ihre Verfasser Aufschluss geben oder welchen Anteil der Allgemeinheit sie eigentlich repräsentieren, möchte ich gar nicht weiter ausführen; es zeigt lediglich, dass es noch mehr von solchen Dokumentationen geben sollte. Und welches Verbesserungspotential halten die konstruktiven Kommentare für mögliche neue Filme bereit?
Konstruktive Verbesserungsvorschläge äußerten sich in einigen differenzierteren Beiträgen: Die Mehrheit der Onlinekommentare zu den einzelnen Sendungen des pinken Wochenendes bemerken, dass es eher um Schwule ging und einen Großteil der LGBT-Community vernachlässigt. So wurden beispielsweise Lesben und Transgender kaum bis gar nicht behandelt. Auch scheint das Thema der Homophobie für einige Zuschauer zu kurz gekommen zu sein und es wurde der Wunsch geäußert, die Motivation und die psychologischen Hintergründe intensiver zu beleuchten. Der Film über die schwulen Hymnen scheint im Speziellen auch sehr polarisierende Wirkung gehabt zu haben, da sich einige sehr gut, andere wiederum nicht so gut mit den Liedern und Interpreten identifizieren konnten. Dies mag daran liegen, dass teilweise Lieder zu Schwulenhymnen stilisiert wurden, die nicht von jedem als solches akzeptiert werden. Diese Wahrnehmung ist natürlich bei jedem individuell, was mit dem eigenen Geschmack, mit dem eigenen Alter und den Einflüssen in der eigenen Lebenszeit zu tun hat. Somit schien der Film für den allgemeinen Zuschauer ein Bild von Schwulen zu transportieren, das irreführend, ja vielleicht sogar etwas spießig und den 70 bis 90er Jahren entsprechend etwas altbacken ist. In vielen Kommentaren wurde aber auch speziell der Film über die Schwulenhymnen und die Arbeit von Herdlitschke gelobt und gewürdigt. Und etwas neues habe ich auch gelernt: Dass die Diskotheken von den Schwulen erfunden worden sein sollen, da nur wenige Musiker sich trauten, in schwulen Clubs aufzutreten, und aus diesem Grund Musik vom Band gespielt werden musste.
Ich selbst finde das pinke Wochenende sehr gelungen und wünsche mir noch mehr pinke Fernsehzeit. Zusätzlich bin ich auf die unter der gleichen Homepage beworbene Aktion „Easy coming out“ von Manuel Le Coac’h aufmerksam geworden, die dazu dienen soll junge Menschen bei ihrem Coming-out zu unterstützen – spannend!
Pink your program!
Eure Bambi Szeen